Der größte Schatz ist eine lebendige Erinnerung – über den Tod hinaus

„Von wem er das wohl hat?“ – dachte ich mir neulich wieder einmal, als mich eine der Macken meines Mannes auf die Palme gebracht hat. Und das Gleiche frage ich mich regelmäßig, wenn ich meinen Mann wie einen großen Kuschelbär durch die Wohnung tapsen sehe. Den Vater meines Mannes kenne ich nur von Bildern. Er starb zehn Jahre, bevor mein Mann und ich uns kennengelernt haben. Es gibt nur ein Mini-Video von meinem Schwiegervater, das mit einer der ersten Digital-Kameras aufgenommen worden ist. Gäbe es diesen kleinen Schnipsel nicht, wüsste ich nicht einmal, wie seine Stimme klingt. Für meinen Mann ist dieser Video-Schnipsel wie ein Schatz und unendlich kostbar.

Als Journalistin, die in ihrem Beruf täglich Radio- und Fernsehbeiträge produziert, dachte ich mir: Wie kostbar wäre es für meinen Mann, wenn es einen Film oder ein Hörspiel über seinen Vater gäbe? Ein Film oder ein Hörspiel, in dem sein Vater selbst erzählt, was für ihn der Sinn des Lebens ist, wann er zum ersten Mal verliebt war, wann er zum ersten Mal betrunken war und worauf er am meisten stolz ist. Was wäre, wenn man ihn fragen könnte, was er heute anders machen würde, was er bereut und was er seinen Söhnen noch sagen wollen würde?
Etwas, in dem all das zur Sprache kommt, wäre ein unfassbarer Schatz für meinen Mann. Und für mich. Und für unsere Kinder, die ihren Opa sonst nie kennenlernen würden.

Von meinem Mann weiß ich, dass der Tod Anlauf genommen hat. Was wäre gewesen, wenn man nicht erst bei der Beerdigung liebevolle Geschichten über seinen Vater erzählt hätte? Was wäre gewesen, wenn man schon im Leben, in der Zeit, in der der Tod Anlauf genommen hat, mit ihm gesprochen und einen liebevollen kleinen Film oder ein schönes Hörspiel miteinander aufgenommen hätte?

Genau das ist es, was ich mit „Das Leben erzählen“ tun möchte:
Mit Menschen, bei denen der Tod unwiderruflich Anlauf genommen hat, möchte ich über die wirklich wichtigen Dinge sprechen: Über Liebe, Reue, Stolz, Sinn, Glück und alle guten (und auch weniger guten) Erinnerungen. Ich will mit ihnen – wenn es geht – an die Herzens-Orte fahren und dort in all den Erinnerungen und Gefühlen baden. Das Leben soll noch einmal aufleuchten und zelebriert werden. Und das – diesen einzigartigen Geschmack des Lebens – bringe ich dann entweder in ein Audio-Hörspiel oder in einen kleinen Film des Lebens. Der Mensch, der sterben wird, spielt nicht die Hauptrolle, sondern er ist die Hauptrolle. Er oder sie soll zu Wort kommen und auf diese Weise etwas hinterlassen, was allen, die zurückbleiben müssen, zum lebenslangen Schatz und zur lebenslangen Kraftquelle werden kann.

Die Menschen sind selten so lebendig, wie im Angesicht des Todes. Von dieser Lebendigkeit will ich erzählen.
Oder wie Janosch es formuliert hat: „Jeder lebte schon immer im Paradies, hat es nur nicht gewusst.“

Nehmen Sie gerne mit mir Kontakt auf: Magdalena Knöller.

… Ja, auch Kinder sterben. Und sie haben uns etwas zu sagen. Lassen Sie uns zuhören, solange wir können, und den Schatz ihrer Worte festhalten.